Erinnerungen
Ein Jahr ist es nun her, dass ich hier war im Westendkrankenhaus. Wie unverändert alles ist: der typische Duft nach Reinigungsmitteln in den Gängen, mein kleines Zimmer, sogar Professor Müller. Genauso griesgrämig wie immer. Es war ein Jahr, von dem ich nicht viel mitbekommen hab. Nach meinem Zusammenbruch war ich gefangen in einer anderen Welt. In einer Welt ohne Tag und ohne Nacht. Ohne Freude, ohne Sorgen. Eine Welt ohne Träume.
Irgendwann haben sie mich dann woanders hin verlegt. Ich hab davon überhaupt nichts mitgekriegt. Die Ärzte haben mich eigentlich längst aufgegeben. Aber eines Tages, vor ein paar Wochen, hab ich dann plötzlich die Augen aufgeschlagen. Carina und Robert saßen zufällig gerade an meinem Bett. Sie haben geweint vor Freude. Carina hat mir später erzählt, dass ich mich als Erstes erkundigt hätte, was mit meinen Freunden draußen am See passiert ist. Ich war ziemlich verwirrt.
Noch bin ich sehr schwach, sitze im Rollstuhl und die Ärzte erlauben mir fast gar nichts. Umso glücklicher war ich, dass sie heute einem kleinen Ausflug zugestimmt haben. Carina hat einen Freund aus Hamburg zu Besuch. Er ist Arzt. Wir haben zusammen eine Spazierfahrt gemacht. Gestern hat es hier zum ersten Mal geschneit. Ich liebe es wenn die Welt so aussieht wie in der Schneekugel von Jonas. Besonders die Bäume haben es mir angetan. Sie sehen einfach wunderschön aus mit ihren weißen Ästen.
Ich habe Fotos mit meinem neuen Handy gemacht. Carina hat es mir mitgebracht. Ich habe ja bald Geburtstag und sie meinte, diesmal wollte sie mir lieber was Praktisches schenken. Jetzt kann sie mich immer erreichen. Gerade sitze ich hier in meinem Zimmer von damals. Es ist nicht belegt und ich hab wieder Carinas Laptop auf meinen Beinen liegen. Wenn das die Ärzte wüssten. Haben sie mir nämlich auch verboten. Aber die Gelegenheit konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen.